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LEXIKON
 
 

 

 

Puritaner

Puritaner

1. Der Ausdruck »P.« und »Puritanismus« schillert zwischen der kirchenpolitischen Grundbedeutung (ð Presbyterianer, d. h. Anwälte einer urchristlich-demokratischen Kirchenverfassung im Gegensatz zur anglikanisch-kath.-episkopalen) und der Gleichsetzung mit ethischer Prüderie und bis zur Natur- und Schönheitsfeindschaft getriebenen Nüchternheit aus Sittlichkeitsfanatismus im Namen des Christentums.
Seinen Ursprung hat der Puritanismus in dem Bestreben, die anglikanische Loslösung der Kirche von Rom (ð England: I, 3) in einer weitgehenden Übernahme der festländischen Reformation zu vollenden. In diesem Sinne gebraucht das Wort zuerst und betont Th. Cartwright 1580, soweit nicht ältere lat. Zeugnisse (Studium purioris religionis u. ä.) vorliegen, die erst noch systematisch aufgesucht werden müssen. Infolge der Flüchtlingsaufenthalte von Engländern in der Schweiz und der Aufmerksamkeit Calvins auf England stand von vornherein die ref. Theologie (ð Bullinger [z. B. für J. ð Hooper], ð Calvin, ð Beza) im Vordergrund. Die luth. Prägung trat kaum ins Blickfeld, nachdem W. ð Tyndale 1536 Antwerpen hingerichtet worden war. Erschwerend kam für die Befürworter der konsequenten Reformation hinzu, daß ð Elisabeth I. sich (möglicherweise) für ihren gemäßigten, stark konservativen kirchlichen Kurs auf Melanchthons CA berief (J. E. Neale). Andererseits ist es unzutreffend, den englischen Puritanismus mit dem schottischen Presbyterianismus unter ð Knox und A. ð Melville gleichzusetzen oder von ihm abzuleiten. Dieser ist vielmehr immer als Fremdkörper in England empfunden worden. Durch die fast 200 Jahre dauernden Kämpfe, die ursprünglich um die Herrschaft, dann um die Duldung der P. in der Kirche Englands geführt wurden, bes. durch die Läuterung, die die P. selbst nach dem Scheitern der Revolution ð Cromwells durchmachten (Hauptgestalten: R. ð Baxter, J. ð Bunyan, Th. ð Manton, J. ð Alleine), prägten sie das gesamte Christentum englischer Sprache mit, vor allem in Richtung auf einen bis in die tägliche Lebensgestaltung reichenden Biblizismus. So hat namentlich die deutsche, z. T. auch die nordamerikanische Anglistik im 20. Jh. die Schlüsselstellung der P. für das Verständnis der englischen Wesensart erkannt. Dies macht die Literatur über die P. außergewöhnlich vielschichtig.

2. Man kann zwischen Früh-, Hoch- und Spät-Puritanismus unterscheiden. a) Der Früh-Puritanismus setzte mit der kirchlichen Reformtätigkeit unter Edward VI. ein (1547-53; ð England: I, 3). Wie später in den Flüchtlingsgemeinden, bes. in Frankfurt/M., fand ein erbittertes Ringen um die Verwirklichung der Genfer Grundsätze und praktischen Maßnahmen statt. Zunächst siegte mit ð Bucer (1549-51 in Cambridge) die vermittelnde Richtung. Er vermochte es, den liturgischen Radikalismus J. ð Hoopers zu brechen. Nach dem röm.-kath. Zwischenspiel unter Maria und dem Erzbischof R. ð Pole wachten unter Elisabeth I. die Streitigkeiten erneut auf, als Th. ð Cartwright seit 1570 die Kirche von England in Verfassung, Gottesdienst und Lehre (in dieser Reihenfolge!) als widerbiblisch angriff und J. ð Whitgift sie verteidigte. Gleichzeitig lehrte W. ð Perkins in Cambridge im Sinne des Puritanismus und bildete eine Schule. Bei ihm erscheint als Puritanismus nicht ein gesteigerter Calvinismus, sondern eine um den Gewissensbegriff (grundlegend 2 Kor 13, 5) gesammelte Analyse der menschlichen Seele, ihres Heilsweges und der drohenden Gefahren, unter immer stärkerer Bezugnahme auf die Bibel und mit antiröm.-kath. Spitze. Von Perkins ging in einem über 1 Jh. dauernden Entwicklungsprozeß, der die Andachtsliteratur des spanischen und französischen Katholizismus einbezog und die jesuitische Beichtkasuistik aufnahm, die eigentümliche Gestalt puritanischer Predigt- und Erbauungsliteratur aus. Man könnte sie eine Fortsetzung des spätmittelalterlichen Nominalismus, einen rationalen Empirismus nennen. Hier wurde die zugleich gläubige und verstandesmäßige Beobachtung der eigenen Seele fortgeführt, die W. ð Langland im Piers Plowman und E. ð Spenser in der Faerie Quene geübt hatten. Sie schematisierte, durchbrach aber immer wieder das Schema zugunsten der seelischen Wirklichkeit und der konkreten Erfahrung (führende Schriften: Arthur Dent, The Plaine Man's Pathway to Heaven, 1616; Lewis ð Bayly, The Practice of Piety, ca. 1615; William Whately, New Birth, 1619). Kein anderes christliches Land hat eine derartige Fülle an erbaulichen Traktaten hervorgebracht, und nirgends sonst (außer der niederländischen Imitatio Christi des ð Thomas a Kempis) ist soviel davon in andere Sprachen übersetzt worden. Zugleich wurde in dieser Verbindung rationaler und empirischer Betrachtungsweise der eigentümliche Charakter der englischen Aufklärung im Denken wie in der Charakterbildung vorbereitet (vgl. Cragg, Schücking [s. Lit.]), der es mit sich brachte, daß sie dort - bis auf den vorübergehenden ð Deismus - weniger als Bruch wirkte als in Frankreich, Italien und Deutschland. - b) Der Hoch-Puritanismus drückte seine kirchenverfassungsmäßigen und liturgischen Ziele seit 1645 (Hinrichtung ð Lauds) mit Gewalt durch und setzte sich gerade mit der brutalen Abschaffung des Anglikanismus (Vertreibung der Bischöfe und Pfarrer, Beschädigung der künstlerisch wertvollen Kirchen) sowie mit der Verurteilung des Schönen, bes. der überaus volkstümlichen Bühne, ins Unrecht. Seine Herrschaft wurde weithin als Schreckensherrschaft empfunden. Die Streitigkeiten im eigenen Lager verstärkten diesen Eindruck, so daß der Großteil der Bevölkerung 1660 gern zur anglikanischen Restauration zurückkehrte, allerdings durch die erzwungene Uniformität bitter enttäuscht wurde. In einem geduldigen, opferbereiten Ringen haben die P. in dieser Phase des c) Spät-Puritanismus sich zu stillen Biblizisten entwickelt und jetzt erst die eigentliche Blüte ihrer Erbauungsliteratur hervorgebracht, die - durch ihren sachlichen Wert, durch ausgesprochen versöhnliche Gestalten wie R. Baxter und durch das Märtyrertum J. Bunyans und anderer - weit über ihre Kreise das gesamte englische Christentum durchdrang. Die von M. ð Weber postulierte und konstruierte Behauptung, die P. seien durch Askese und Sparsamkeit die Urheber des modernen ð Kapitalismus, ist heute widerlegt.

& Qu.: G. W. PROTHERO, Statutes and Political Documents of the Puritans 1558-1625, (1898) 19582 - Puritans, ed. P. G. E. MILLER u. T. H. JOHNSON, 1938 - G. R. CRAGG, From Puritanism to the Age of Reason, 1950 - W. H. FRERE -C. DOUGLAS, Puritan Manifestoes, 1957.
Allg.: Unter der englischsprachigen Lit. überwiegt die nordamerik. bei weitem, da die kirchenpolit. Verhältnisse Englands im 16./17. Jh. die P. zur Auswanderung nach Nordamerika zwangen (ð Pilgerväter), so daß sie die geistigen Grundlagen der Neuen Welt in ihrem Sinne bestimmten. Vgl. als Standardwerke: W. HALLER, The Rise of Puritanism, (1938) 19563 - P. G. E. MILLER, New England Mind: From Colony to Province, 1953; The 17th Century, 1954. - Weitere engl. Lit.: D. NEAL, The Hist. of the Puritans, (1750) 3 Bde, 18373 - R. BROOK, The Lives of the Puritans to 1662, 3 Bde, 1813 - J. B. MARSDEN, Hist. of the Early Puritans to 1642, 1850 - DERS., Hist. of the Later Puritans 1642-62, 1850 - J. BROWN, The English Puritans, 1910 - G. B. TATHAM, The Puritans in Power, 1913 - ERE X, 507 ff. - M. M. KNAPPEN, Tudor Puritanism, 1938 - H. DAVIES, Worship of the English Puritans, 1948 - B. M. REILLY, Elizabethan Puritans' Conception of the Nature and Destiny of fallen Man, 1948 (röm.-kath.) - G. S. WAKEFIELD, Puritan Devotion, 1957 - G. R. CRAGG, Puritanism in the Penod of the Great Persecution 1660-88, 1957 - J. MARLOWE, The Puritan Tradition in English Life, 1957. - Dt. Lit.: RE XVI, 323 ff. (z. T. irreführend, s. 1) - H. SCHÖFFLER, Protestantismus u. Lit., (1923) 19602 - DERS., Die Anfänge des Puritanismus, 1932 - L. L. SCHÜCKING, Die Familie im Puritanismus, 1929 (grundlegend zur Wesensdeutung) - A. LANG, Puritanismus u. Pietismus, 1941 - M. SCHMIDT, Die Problematik des Puritanismus im Lichte seiner Erforschung (ZKG 60, 1941, 207-254; Lit.) - DERS., Biblizismus u. natürl. Theol. in der Gewissenslehre des engl. Puritanismus (ARG 42, 1951, 198-219; 43, 1952, 70-87) - DERS., Eigenart u. Bedeutung der Eschatologie im engl. Puritanismus (ThViat 4, 1952, 205-267) - DERS., Christentum u. Kirche in Großbritannien (in: Englandkunde, hg. v. P. HARTIG, 19604, [203-238] 221 ff.) - J. CHAMBON, Der Puritanismus, 1944.
M. Schmidt
Purpur, eine violettrote, lichtbeständige ð Farbe. Der Saft der P. Schnecke diente bereits im 13. Jh. v. Chr. zum Färben kostbarer Gewebe. So ist der P.mantel das »indumentum regale« (vgl. Mk 15, 17 par). Purpurn war das Obergewand des jüd. Hohepriesters. Ein P.vorhang trennte das Allerheiligste (Ex 26, 1 u. ö.), eine P.decke lag auf dem Schaubrottisch (Num 4, 7). Seit Papst Paul II. sind Gewand und Hut der ð Kardinäle purpurn.

& RE V, 755 ff. - BRL 153. 429 f. - PW XXIII/2, 1959, 2000 ff. (Lit.).

F. Merkel

aus: Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Bd. 1, S. 37 ff.
(c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)
Mit freundlicher genehmigung des Verlages veröffentlicht. Bitte beachte Sie die Internetseiten der 4. Auflage der RGG: http://www.mohr.de/rgg4.html

 

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