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ENCYCLOPÉDIE
 
 

 

 

Bund

I. Religionsgeschichtlich

Die Schließung eines B.es stellt den Versuch dar, einen durch Blutsverwandtschaft (siehe Blut) bestimmten Menschenkreis durch Aufnahme neuer Glieder zu vergrößern, um seine Zukunft zu sichern, seine Abwehrkraft (siehe Blutrache) wie seine wirtschaftliche Lage zu stärken.
Die verbreitetste Form des B.es ist die siehe Ehe in ihren mannigfachen Gestaltungen. In der Regel wird - abgesehen von der vielleicht nirgends urtümlichen Raubehe - nicht nur die Frau in den Verband des Mannes (Patriarchat) bzw. der Mann in den Verband der Frau aufgenommen (siehe Mutterrecht), sondern es wird eine siehe Familie nach außen abgeschlossen (Geschwisterehe), eine bereits bestehende Verbindung zwischen verwandten Sippen oder Ständen (Endogamie, Tauschheirat) oder auch zwischen nicht verwandten, aber auf andere Weise (siehe Totemismus) verbundenen Gruppen (Exogamie) gestärkt. Der Charakter der Ehe als B. der Sippen kann sich in der Blutracheverpflichtung der beiderseitigen Männer auswirken. Er kann sich aber auch auf die Zahlung eines Brautpreises an die Sippe des Mädchens beschränken (Kauf-, besser Abfindungsehe). Er spiegelt sich im Sprachgebrauch der »klassifikatorischen« Verwandtschaftsordnungen mit seinem »Mangel an Unterscheidungen von linearen und kollateralen Verwandten« (Günther 89).
Religionsgeschichtlich nicht minder bedeutsam ist die »künstliche Verwandtschaft« (Kohler; Thurnwald: »künstliche Bruderschaft«), die namentlich bei den Südslawen eine große Rolle spielt. Sie kommt vor allem durch Blutzeremonien, aber auch durch andere Riten (Waffen-, Kleider-, Namen-, Frauentausch, Bestreichen mit siehe Speichel u. a. m., auch gemeinsame siehe Beschneidung und andere Zeremonien der Männerweihe) zustande. Bisweilen bindet die künstliche siehe Bruderschaft nur die beiden sie Eingehenden, die miteinander »identisch« werden (MacCulloch), bisweilen auch ihre Stammesgenossen. In diesem Falle umschließt sie die Blutrachepflicht und schafft Ehetabus analog den bei leiblichen Geschwistern bestehenden, im Gegensatz zu der nur die Deszendenten tabuierenden Milchbruderschaft. Bei Verheiratung eines »Bruders« erlischt sie, wie analog die Adoption, bei der künstliche Verwandtschaft durch einseitigen Willensakt hergestellt wird, nach langobardischem Recht erlischt, wenn dem Adoptierenden nachträglich ein legitimer Sohn geboren wird. Die künstliche Verwandtschaft kann den legitimen Zielen der Individuen innerhalb ihrer Gesellschaft (aber auch der Homosexualität innerhalb des Männerbundes) und dem Schutz der Gesellschaft nach außen gelten. Sie eignet sich aber auch dazu, als Geheimbündelei revolutionären Zielen zu dienen, ein Verdacht, der sich allzuleicht gegen jeden Geheim-B. richtet (siehe Freimaurerei). Das bekannteste antike Beispiel ist die durch Trinken von Menschenblut »geheiligte« Verschwörung des Catilina (Sallust, Coni. Cat. 22). Auch an die Selbstbezeichnung der Glieder der sich aus größeren Religionsgemeinschaften ausklammernden »Sekten« als »Brüder« und »Schwestern« mag erinnert werden.
Die künstliche Verwandtschaft bildet nun auch die Grundlage für den politischen B. zwischen Stämmen und Völkern. Der B. zwischen Radamistus und Mithridat kommt durch gegenseitiges Trinken des in den Armen aufgestauten und levi ictu zum Fließen gebrachten Blutes zustande (Tac., Ann. XII 47, vgl. den skytisch-hellenischen Friedensschluß bei der durch Thales vorhergesagten Sonnenfinsternis, Her. I 74). Sie werden durch siehe Eid und Fluch (siehe Segen) unter Anrufung der (beiderseitigen) Götter gesichert und durch Opfermahle geweiht, bei denen auch sympathetischer Zauber eine Rolle spielen kann (Vertrag Aššurniraris VI. mit Mati'ilu, AfO 8, 1932/33, 17 ff.). Der Zweck des B.es ist nach außen gemeinsame Abwehr oder auch Angriff (Wanderung), nach innen »Friede« zur gemeinsamen Gottesverehrung (Amphiktyonie), gemeinsame Rechtssicherung (Weiderechte, Marktordnung, siehe Asylrecht und ihre Begrenzung, z. B. für flüchtige Sklaven). Das Connubium, vor allem unter den herrschenden Familien, kann solchen politischen B. bekräftigen. Zu den hethitischen Staatsverträgen siehe Bund: II.

J. KOHLER, Studien über künstliche Verwandtschaft (Zeitschr. f. vgl. Rechtswissenschaft 5, 1884, 415-440) - L. T. HOBHOUSE, Morals in Evolution, (1906) 19234 - ERE II, 857 ff. (P. J. HAMILTON- GRIERSON); IV, 206 ff. (J. A. MACCULLOCH) - W. WUNDT, Elemente der Völkerpsychologie, 1913 - RLV II, 189 ff.; IV/1, 116 ff. (R. THURNWALD) - B. W. AGINSKY, Kinship systems and the forms of marriage, 1935 - H. F. K. GÜNTHER, Formen u. Urgesch. der Ehe, (1940) 19513 - H. TEGNÆUS, Blood-brothers (Statens etnografiska Museum NS 10), Stockholm 1952.

J. Hempel

II. Im AT

Entgegen der von J. Pedersen begründeten Auffassung, der B. (hebr. berît) sei »das gegenseitige Verhältnis der Zusammengehörigkeit mit allen Rechten und Pflichten, welche dieses Verhältnis für die Beteiligten mit sich führt«, hat J. Begrich auf Grund vor allem von Jos 9, 6. 11; 1Sam 11, 1; 2Sam 3, 12; 1Kön 20, 34 einen älteren, vielleicht genuin israelitischen Sprachgebrauch ermittelt: »berît bezeichnet ein Verhältnis, in welches ein Mächtiger einen minder Mächtigen zu sich setzt und welches näher durch die dem Empfänger gegenüber eingegangene Bedingung und den Akt der Inkraftsetzung gekennzeichnet wird. Irgendeine aktive Bedeutung des Empfängers wird von dem Begriff nicht eingeschlossen.« Er hätte sich darauf berufen können, daß auch in den hethitischen Staatsverträgen der Großkönig der allein zu dem rein passiven Partner Sprechende ist, der zur Einhaltung des Vertrages ermahnt und durch Gottesflüche bewogen werden soll. Selbst das hethitische Exemplar des Vertrages zwischen Hattušil und Ramses II. ist als Worte des letzteren stilisiert. Abweichend aber von dem von Begrich für das ältere Israel Erarbeiteten werden die Verpflichtungen dem Empfänger auferlegt, während sich der Gewährende auf allgemeine Treuversprechen beschränkt. Immerhin ist durch diese Zusage der »Suzeränitätsvertrag« (Mendenhall) dem zweiseitigen Vertrag zwischen Gleichen angenähert, bei dem die Verpflichtungen der Kontrahenten materiell verschieden sein können, aber gleiche bindende Kraft besitzen. Endlich hat Noth auf einen Mari-Brief aufmerksam gemacht, in dem ein Dritter einen B. zwischen zwei Menschengruppen stiftet, ohne daß über die gegenseitigen oder einseitigen Verpflichtungen etwas ausgesagt würde.
Diese vier Formen des B.es finden sich auch in Israel, wobei die etymologische Grundbedeutung von berît noch immer unsicher ist (Nielsen). Die blutmäßig nicht einheitlichen Stämme mit ihrer unterschiedlichen Vorgeschichte und dazu das ihnen angeschlossene »Pöbelvolk« (Ex 12, 38; Num 11, 4) müssen durch B.esschlüsse als das Mittel, »Brüder« zu werden, untereinander zunächst zu kleineren, dann aber zu der umfassenden großisraelitischen Eidgenossenschaft der Zwölfstämme-Amphiktyonie (Noth) zusammengeschlossen worden sein. In der Überlieferung sind sie überdeckt durch den B., dessen Partner und nicht nur Garant Jahwe, vielleicht in Analogie zu dem B.esbaal bzw. B.esgott von siehe Sichem (Ri 8, 33; 9, 4. 46) und sumerischen wie sabäischen Parallelen (ThW II, 12) ist. Gen (21, 27;) 31, 44 zeigt den zweiseitigen, Jos 9, 15 den einseitigen B. mit alleiniger Bindung des Mächtigeren (vgl. auch Jes 28, 15; Jer 34, 18), während in dem von Israel erbetenen B. mit Assur mindestens die überwiegende Verpflichtung auf Seiten des schwächeren Staates gelegen haben muß (Hos 7, 11; 12, 2). Durch das System der Vorleistungen des an Macht Geringeren (2Sam 3, 13) wird seine Bindung, bei formeller Festhaltung des Überlegenen als des Gewährenden, unterstrichen. Bei dem von Jahwe zwischen Israel und der Natur geschlossenen B. (Hos 2, 20 Wolff) liegt die Bindung auf seiten der letzteren.
Die gemeinsame Wurzel dieser Mannigfaltigkeit liegt in der im AT noch durchscheinenden, vor aller rechtlichen Schematisierung wirklichen Gemeinschaft des »Lebens« und des »Segens«, in der der Schwächere Anteil an der »Macht« des Stärkeren gewinnt oder beide Partner einander gegenseitig Anteil an ihrer »Macht« geben. Daher werden sie »Brüder« (Am 1, 9; vgl. Gen 31, [46.] 54, sachlich auch Gen 34, 15. 22). Zwischen ihnen herrscht »Friede« (šalôm vgl. [Num 25, 21]; Jes 54, 10 sowie Ps 55, 11 gegenüber Hi 5, 23), Sicherheit (bætah Ez 34, 25; Hos 2, 20) und »Treue« (hæsæd Dtn 7, 9; 1Sam 20, 5, 'æmæt Jes 51, 8; vgl. 'æmûna Ps 89, 34). Eine Schädigung des anderen Partners, vor allem seine Versklavung (Am 1, 9) oder ein Anschlag auf sein Leben (Gen 26, 28 f.; Jos 7, 16; [Ps 55, 21]) ist ausgeschlossen. Der Gemeinschaftscharakter des B.es kommt zum Ausdruck in den beim Abschluß getätigten Zeremonien: Handschlag (Ez 17, 18; vgl. 2Chr 30, 8), Hingabe der Kleider oder anderer Geschenke (Gen 21, 27. 30; 33, 8 ff.; 1Sam 18, 3 f.), den Kuß (2Sam 14, 22), vor allem durch das gemeinsame Mahl (Jos 9, 14; vgl. Gen 26, 30; 31, 46. 54 [Ex 24, 11]), wobei das Salz eine Rolle spielt (Num 18, 19; Esr 4, 14; 2Chr 13, 9; vgl. Lev 2, 12). Als Gemeinschaft umspannt der B. auch die kommenden Generationen (vgl. 1Sam 20, 14 und den Terminus »Ewiger B.«). Er ist so sehr eine Einheit, daß das Versagen gegenüber nur einer, vielleicht nicht einmal zentralen Bestimmung (Jos 7, 1) durch ein einzelnes Glied den bei seinem Abschluß angerufenen Gott oder den Fluch in Bewegung setzt (Dtn 27, 26 MTVar, vgl. Gal 3, 10; Jak 2, 10), den vor allem der Mächtigere durch das Hindurchschreiten zwischen gehälfteten Tieren (Gen 15, 17; Jer 34, 18) auf sich nimmt (daher karat berît = griech. horkia temnein bzw. nur karat 1Sam 11, 2; 22, 8, auch außerisraelitisch; im aram. Bereich s. BASOR 76, 1939, 5-11), wobei berît das zerlegte Tier bedeuten kann (Quell, Vogt). Er wird verstärkt durch Abschluß an heiliger Stätte (2Sam 5, 2; 2Kön 11, 4; [Jer 34, 15]) mit Anrufung Gottes oder der Götter als Zeugen und Richter (Gen 31, 50 ff.), beim Opfer (Ps 50, 5) und unter Blutzeremonien (Ex 24, 8; Sach 9, 11).

Alle vier Typen begegnen nun auch für das Verhältnis von Jahwe und Israel oder auch von Jahwe und der Welt. Stets ist Jahwe der den B. in einem konkreten Augenblick der Geschichte durch einen von ihm selbst bestimmten Mittler, durch Moses (für die Endzeit durch den Gottesknecht Jes 42, 6; 49, 8), stiftende oder auch ohne Mittler einem einzelnen Menschen (David) oder den Exulanten (Ez 37, 26) Gewährende. Nur dort, wo der bestehende B. erneuert, erweitert oder konkretisiert wird (Jos 24, 25; 2Kön 23, 3 = 2Chr 34, 31; 2Chr 29, 10; Esr 10, 3; Neh 10, 1), erscheint der Vertreter der Stämme bzw. des Staates als der den B. Schließende (Ausnahme Jer 50, 5). Wo es sich aber um den B. mit dem »Falschen« Gott handelt, liegt die Initiative beim Volk (Ex 23, 32; vgl. Jes 28, 15), analog dem B. mit fremden Völkern (Ex 34, 12 u. ö.). Die Einzelheiten hingegen sind variabel. Der von P benutzte Ausdruck »den B. aufrichten« (heqîm) läßt Gott als den allein sich Bindenden heraustreten, vor allem bei dem B. mit allem Lebenden, bei dem es trotz der formellen Gewährung an Noah kein die »Gesellschaft« vertretendes Organ gibt (Gen 9, 8 ff.; vgl. Jer 33, 20 ff.). Auch in dem B. mit Abraham und den Vätern (Gen 17, 4; Ex 2, 24 u. ö.), mit Levi (Mal 2, 8; Neh 13, 29) und mit David (Ps 89, 20 ff.; vgl. 2Sam 7, 8 ff.; 23, 5; Jes 55, 3) ist trotz der Bedingtheit der Verheißung bei dem letzteren Jahwe der allein Stiftende (Terminus sam [setzen], natan [geben]), aber in der Wendung »zwischen mir und dir« (Gen 17, 7; doch Num 25, 21 »ich schenke ihm meinen B.«) kündigt sich doch die Zweiseitigkeit an, die in Voranstellung der Bedingung und ihrer Übernahme vor dem B.esschluß selbst (Ex 19, 5 f.) und in der Betonung des doppelseitigen Vater-Sohn- (2Sam 7, 14) und Gott-Volk-Verhältnisses weitergreift. Doch bleibt sachlich die Initiative - ebenso wie bei der gleichfalls als »B.« bezeichneten siehe Ehe (Mal 2, 14; vgl. Spr 2, 17) - bei dem »Vater«, wie ja auch der parallele Ausdruck der »Erwählung« die Passivität des Volkes kennzeichnet (Dtn 7, 7 ff.). Je mehr aber der Nachdruck auf die im Gesetz zu erfüllenden Bedingungen, auf die »B.esworte« (z. B. Ex 34, 28; Dtn 28, 69), das siehe »Bundesbuch« (Ex 24, 7) oder die »B.estafeln« (Dtn 9, 11) in der »B.eslade« (Jer 3, 16; vgl. Dtn 10, 2; 2Chr 6, 11), auch auf die B.eszeichen der siehe Beschneidung oder des siehe Sabbat fällt, desto näher kommt der B. Jahwes mit dem Volk den erwähnten Suzeränitätsverträgen. Ist doch auch seine Verheißung, Israels Gott zu sein wollen, weniger konkretisiert (etwa in der Landzusage Gen 15, 7 ff. und der Sicherung der Daviddynastie) als die ins einzelne gehenden Verpflichtungen des Volkes. Sie werden zudem durch ihre Verlesung bei den B.esfesten (Alt, Weiser) unterstrichen, wenngleich die im Kult sich vollziehende Theophanie, in den Sinaiperikopen mythisch gesteigert, auch hier den Primat des Gotteshandelns sichert. Vollends tritt in der endzeitlichen Erwartung des »Neuen B.es« die alleinige Veranlassung wie die Bestimmung des Empfängers durch Jahwe und die durch ihn selbst sichergestellte Erfüllung durch den Partner wieder scharf heraus (Jer 31, 31 f.).
So ist der »B.« die »Formel für die Ideologie der Geschichte« (Weiser), nämlich für den Glauben an die Erwählung Israels zum exklusiven Eigentum Jahwes und zu seiner Alleinverehrung durch sein Volk, das in ihm allein seine Lebenssicherung hat, und zugleich seine kultische Form, wobei die Herleitung eines Großteils der Pss aus dem B.esfest (siehe Feste: II) freilich noch nicht gesichert ist (vgl. Kutsch). Eben diese doppelte Tatsache aber führt dazu, daß die Prophetie vor Jer in ihrem Gegensatz wider die kultische Daseinssicherung die Erwähnung des B.es durchweg meidet, während das Dtn ihn durch die Verdoppelung des Sinai-B.es im Moab-B. unterstreicht. Wie jede dem menschlichen Leben entnommene Verbildlichung der Gott-Mensch-Beziehung ist auch der B. in seiner ihm innewohnenden Tendenz zur Zweiseitigkeit und Verrechtlichung inneren Gefahren ausgesetzt. Er kann dazu verführen, die in freier Souveränität aus innergöttlichem Impuls sich vollziehende gnadenhafte Selbstbindung Gottes in einen Rechtsanspruch umzumodeln und in der Betonung der Freiheit des Volkes in der Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des angebotenen B.es (vgl. Ex 19, 8; Jos 24, 14 ff., auch das Amen der Gemeinde zur Fluchübernahme Dtn 27, 15 ff.) - einer Linie, die sich in den Bestimmungen über den Bundeseintritt der Qumranleute (vor allem in 1QS) fortsetzt - das Volk zum gleichwertigen Partner zu erheben. - Vgl. Eid: II.

RGG2 I, 1360 ff. - ThW II, 106 ff. (QUELL) - BL 267 ff. - EKL I, 619 f. - Ferner die Biblischen Theologien, vor allem W. EICHRODT, I, (1933) 19482 - L. KOEHLER, (1935) 19533 - O. PROCKSCH, 1950. - Spezielles: J. PEDERSEN, Der Eid bei den Semiten, 1914 - J. HEMPEL, Gott u. Mensch im AT (BWANT III, 2), (1926) 19362 - L. G. DE FONSECA, Diathêkê Foedus an Testamentum (Bibl 8, 1927, 31-50. 161 bis 181. 290-319. 418-441; 9, 1928, 26-40. 143-160) - M. NOTH, Das System der Zwölf Stämme Israels (BWANT IV, 1), 1930 - A. WEISER, Glaube u. Gesch. im AT (BWANT IV, 4), 1931 - A. ALT, Die Ursprünge des israelit. Rechts, 1934 (= ALT I, 278-332) - J. BEGRICH, Berit (ZAW 60, 1944, 1-11) - F. BAUMGÄRTEL, Zur Liturgie der Sektenrolle vom Toten Meer (ZAW 65, 1953, 263-265) - P. E. MENDENHALL, Law and Covenant in Israel and the Ancient Near East, 1955 - E. VOGT, Vox berit concrete adhibita (Bibl 36, 1955, 565 f.) - E. NIELSEN, Shechem, 1955 - A. WEISER, Die Pss (ATD 14), 19554, 22 ff. (Die Pss im B.esfestkult) - E. KUTSCH, Das Herbstfest in Israel (Theol. Diss. Mainz), 1955, 139 ff. (vgl. ThLZ 81, 1956, 494 f.) - W. LEMPP, B. u. B.eserneuerung bei Jeremia (Diss. Tüb.), 1955 - H. W. WOLFF, VT 6, 1956, 316-320 - M. NOTH, Ges. Stud. zum AT, 1957, 142-154 - G. WIDENGREN, King and Covenant (JSS 2, 1957, 1-32).

J. Hempel

III. Im NT

1. Die Begriffe

Mit dem Begriff »B.« wird in deutschen Bibelübersetzungen oft das griech. Wort diathêkê wiedergegeben. Luther verdeutscht die durch Christus errichtete diathêkê mit »Testament«. Welche der beiden Übersetzungen ist sachgemäßer? Diathêkê hat im außerbiblischen Griechisch gewöhnlich die Bedeutung »Testament«. Das NT nimmt diese nur an zwei Stellen (Gal 3, 15 und Hebr 9, 16 ff.) auf; im übrigen folgt es dem Sprachgebrauch der LXX. Sie hat diathêkê für das hebr. berît gesetzt (siehe Bund: II), das nie Testament bedeutet, und das griech. Wort dadurch zu einem theologischen Terminus umgeprägt. Als solcher ist die diathêkê eine gnädige Verfügung Gottes, durch die er den Menschen seine Gemeinschaft schenkt, also eine Heilsordnung. Als entsprechender deutscher Terminus empfiehlt sich daher »Bund« mehr als »Testament«.

2. Die Aussagen über den Bund im Kelchwort, bei Paulus und im Hebr

Gemäß der Aufnahme des Begriffes aus dem AT redet das NT von den B.esschließungen Gottes mit den Vätern, die verheißend auf die jetzt der Gemeinde widerfahrende Erfüllung hinweisen (Gal 3, 15. 17; Röm 9, 4; Eph 2, 12 und bes. Lk 1, 72; Apg 3, 25; 7, 8; vgl. Apk 11, 19; Hebr 9, 4). Diese Erfüllung verkündigt das eigentliche Wort des NT vom B.: Gott hat durch Christus den »Neuen B.« (Lk 22, 20; 1Kor 11, 25; 2Kor 3, 6; Hebr 9, 15; vgl. 12, 24) aufgerichtet, den er in Jer 31, 31-34 verheißen hat. Abgesehen von den lukanischen Stellen begegnen im NT drei Aussagenkreise vom B., nämlich in der Tradition der Abendmahlseinsetzung, bei Paulus und im Hebr.
a) Das Kelchwort besagt: Jesu sühnendes Sterben setzt als B.esopfer die Jer 31 verheißene Heilsordnung (1Kor 11, 25; Lk 22, 20) in Kraft, wie einst »das B.esblut« (Ex 24, 8 vgl. Mk 14, 24; Mt 26, 28) am Sinai den Mose-B. Dieses vereinzelte, historisch anfechtbare Wort Jesu über den B. wird getragen von der Tatsache, daß er durch sein gesamtes Erdenwirken, abschließend durch sein Sterben und Auferstehen die neue Heilsordnung im Sinne von Jer 31 gebracht hat. Die »Vergebung der Sünden« (Jer 31, 34), die er durch seine Selbstdarbietung zur Gemeinschaft gewährt, bedeutet die neue endzeitliche Heilsordnung. Auf diese Weise, zunächst also nicht durch eine kosmische Katastrophe, vollzieht sich das Kommen des Eschatons, das Jesus ankündigt. (Über die in andere Richtungen gehenden Vorstellungen vom neuen B. in der Umwelt Jesu vgl. ThW II, 130 f. und siehe Qumran, 5.)
b) Paulus greift die ihm durch die Abendmahlstradition (1Kor 11, 25) angebotene Vorstellung vom neuen B. auf, um seine These von der Freiheit des Glaubens gegenüber dem Gesetz in Gal 3 f. gegen einen judaistischen Nomismus und in 2Kor 3 gegen einen judaistischen oder gnostischen Amtsbegriff heilsgeschichtlich zu untermauern: Schon der bildliche Sinn des Begriffes, nämlich »Testament« (Gal 3, 15-17), verbürgt die Unverbrüchlichkeit der »B.e der Verheißung« (Eph 2, 12; vgl. Röm 9, 4). Sie stellen das Wesen des neuen Bundes (2Kor 3, 6) im voraus dar. Er ist durch die Vergebung (Röm 11, 26 f. = Jes 59, 20 f.; 27, 9) und durch den Geist, der Gottes Gebot ins Herz schreibt (2Kor 3, 2 f.; vgl. Röm 2, 29), gekennzeichnet (Jer 31, 33 f.). Er macht die Heilsordnung vom Sinai, die auf dem Buchstaben des Gesetzes ruht und auf das Fleisch bezogen ist (Gal 4, 21-31; 2Kor 3, 6-18), zum »alten B.«. Unwillkürlich überträgt Paulus diesen Ausdruck auf die sie bezeugende Urkunde (2Kor 3, 14) und führt damit die Bezeichnung hê palaia diathêkê (Altes Testament) ein.
c) Der Hebr, in dem der Begriff »B.« am häufigsten begegnet, läßt seine zentralen Abschnitte (7, 1 - 10, 18) jeweils in der Botschaft gipfeln: Jesus ist als der wahre Hohepriester »Bürge« (7, 22) bzw. »Mittler« des neuen B.es (8, 6; 9, 15; vgl. 12, 24), der in Jer 31, 31-34 (zitiert in 8, 8-12 und 10, 16 f.) verheißen ist. Jesus ist Mittler des neuen B.es; denn er hat durch sein hohepriesterliches Selbstopfer die Vergebung der Sünden gebracht (10, 14 bis 18). Weil alle Bemühungen nach dem Gesetz des Mose-B.es, d. i. der Opferdienst, die Sünden nicht tilgen konnten, wird der Mose-B. gemäß Jer 31 für unbrauchbar und »veraltet« erklärt (8, 7. 13). Erst Jesu Selbstopfer tilgt »die unter dem ersten B. geschehenen Übertretungen«, das sind die Sünden der alten Welt (9, 15). Jesu Sterben war bildlich geredet der Tod, der das »Testament« (s. 1) in Kraft setzt (9, 16 f.), heilsgeschichtlich gesehen das B.esblut des neuen B.es (9, 18-22; vgl. 10, 29; 13, 20). Dieses B.esblut preisgeben, bedeutet unheilbaren Fall (10, 29). Wie die Paränese des Briefes negativ in dieser Warnung einen Höhepunkt erreicht, so positiv in der Aufforderung 12, 24: »Laßt uns hinzutreten...zu dem Mittler des neuen B.es, Jesus!« Wer sich zu ihm bekennt, steht allem Augenschein und aller Anfechtung zum Trotz bereits auf dem Boden der neuen, ewigen Welt Gottes; denn sein Sterben ist »das Blut des ewigen B.es« (13, 20).

3. Die theologische Bedeutung der Bundesvorstellung

Die theologische Bedeutung der B.esvorstellung besteht in allen drei Aussagenkreisen darin, daß sie Jesu Werk heilsgeschichtlich deutet. Durch Christi Kreuz und Auferstehung ist das Eschaton in Gestalt eines neuen Gottesverhältnisses, in dem die Sünde wirklich überwunden wird, hereingebrochen. Der Mose-B., der das Verhältnis zwischen Gott und Mensch unter die Gesetzesordnung stellt, ist dadurch alter B. geworden. Er ist nicht einfach chronologisch vergangen (wie es nach Lukas, z. B. Lk 16, 16 f., scheint), er besteht weiter, wie die Verheißung und das Gesetz weiter bestehen, aber er ist nach Hebr 8, 13 »veraltet« und (mit der alten Weltzeit) »nahe am Verschwinden«. Die neue Weltzeit aber ist gegenwärtig als die neue Heilsordnung.
Diese Vorstellung ist Wesensmerkmal des christlichen Selbstverständnisses bei den Synoptikern, in den Paulinen und im Hebr. Der Frühkatholizismus und die Gnosis geben dieses eschatologische Selbstverständnis preis (Goppelt 245 ff.). Daher ist es bedeutsam, daß die vom B. schweigenden joh. Schriften in Joh 6, 45 die Mitte der B.-Verheißung (Jer 31, 34) in der Gestalt von Jes 54, 13 zentral aufnehmen. Auch für das JohEv besteht das Heil in dem neuen eschatologischen Gottesverhältnis, das die Existenz unter dem Gesetz aufhebt. Seine Terminologie ist nicht unmittelbar vom AT her entwickelt - daher ist sein Schweigen vom B. nicht zufällig (Bultmann, NT 355 f.) -, wohl aber ist sie von der Heilsgeschichte her gefüllt. So stellt die B.esvorstellung die Aussagen aller wesentlichen nt. Schriften über das Heil in den Rahmen der Heilsgeschichte und scheidet sie damit trotz aller begrifflichen Analogien von Apokalyptik und Gnosis. Sie hat der Sammlung der Apostolischen Schriften mit Recht den Namen gegeben: Hê Kainê Diathêkê.

RGG2 I, 1362 ff. - ThW II, 105 ff. - J. SCHNIEWIND im NTD zu Mk 14, 24 - L. GOPPELT, Typos, 1939, 134 ff. 170 ff. 195 ff. 245 ff. - J. JEREMIAS, Die Abendmahlsworte Jesu, 19492, 84. 99 - O. MICHEL, Der Brief an die Hebräer (MeyerK XIII9), 1955, Reg.

L. Goppelt

IV. Föderaltheologie, dogmengeschichtlich

Die Föderaltheologie, zum Begriff geworden und auf ihren Höhepunkt gelangt durch die Theologie der späteren orthodox-reformierten Lehrausprägung, hat eine Vor- und Nachgeschichte, die um die Theologie des siehe Coccejus kreist. Sie ist in ihrem Gesamtbereich gekennzeichnet durch die Namen siehe Zwingli, siehe Bullinger, siehe Melanchthon, siehe Calvin, siehe Musculus, siehe Ursinus, siehe Olevian, siehe Gomarus, siehe Polanus, siehe Cloppenburg, Coccejus, Buurmann, siehe Heidanus, Brune, siehe Vitringa, siehe Lampe, J. H. siehe Heidegger, siehe Turrettini, Vithius, siehe Crusius, siehe Hasencamp, siehe Menken, Chr. siehe Krafft und siehe Collenbusch; unter diesen sind Zwingli, Bullinger, Melanchthon, Olevian und namentlich Coccejus von programmatischer, jeweils weiterführender Bedeutung. Bekenntnismäßige Verankerung erreichte die Föderaltheologie neben Andeutungen im siehe Heidelberger Katechismus (Frage 54 und 74) vor allem in der Westminster Confession (Art. 7). Über die ref. Theologie hinaus wirkte sie unmittelbar auf die Theologen siehe Calixt, siehe Jaeger, siehe Spener, Majus, siehe Buddeus, siehe Pfaff und siehe Bengel und mittelbar auch in andere Gebiete der Geisteswissenschaften, besonders der Historie, Pädagogik und Jurisprudenz, ja bis in die Geschichtskonzeption des spekulativen Idealismus und des dialektischen Materialismus hinein.
Zwingli, der reformatorische Entdecker des biblischen B.eszeugnisses, entwendet den Täufern, die sich selbst »B.genossen« nannten, den B.esbegriff, indem er ihn als den Adam-Noah-B. der Menschheit und den Abraham-Christus-B. der Kirche mit biblischer Universalität füllt. Bullinger entwirft als erster Föderaltheologe im thematischen Sinne eine ausgeführte B.estheologie, »weil Gott unter diesem Namen das foedus des Geheimnisses der Gemeinschaft mit sich selbst ausgedrückt hat«. Der Adam-Noah-B. wird mit Abraham erneuert und mit der Gnade Christi gefüllt, von Mose in Worte gefaßt und durch Christus vollendet. Melanchthon ist für die Entwicklung der Föderaltheologie insofern von weittragender Bedeutung, als er den B. als mutua obligatio zwischen Gott und Täufling charakterisiert und eine Aufteilung in foedus generale mit der Schöpfung und in foedus speciale mit den Erwählten vornimmt, der nach dem Gesetz (ante, sub, post) in 3 Perioden zerfällt - Begriffe, die nun allgemein übernommen worden sind. Olevian ist mit Zwingli, dem Entdecker, und Bullinger, dem Systematiker, zusammen als der pädagogische Gestalter und Seelsorger der Föderaltheologie zu werten. - Aus der Geschichte der Föderaltheologie liegen bis Coccejus folgende Themata und Motive vor: das Verhältnis des einen Gottes-B.es zu den einzelnen B.esschlüssen, das Verhältnis von AT und NT, Gesetz und Evangelium, das Verhältnis von Natur- und Gnaden-B. und das Motiv der heilsgeschichtlichen Entwicklung in Etappen und Epochen.
Coccejus nahm zwischen Orthodoxie und Pietismus, zwischen Rationalismus und Idealismus, als Zeitgenosse des siehe Barock diese Themata und Motive auf, faßte sie in lebendiger Gedankenführung unter fortlaufender Schriftbefragung als persönliches Glaubenszeugnis zusammen und gestaltete sie zum theologischen Programm. Er unterscheidet in Übernahme naturrechtlicher Kategorien (Melanchthon) zwischen Grundlegung und Prozeß der Geschichte ein foedus naturae = operum, der Menschheit ins Herz gegeben, im Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen symbolisch dargestellt, von Mose als Gesetz niedergeschrieben. Im Protevangelium ist schon die ganze Geschichtsgrundlegung veranschlagt - auch über das Fassungsvermögen der ersten Offenbarungsempfänger hinaus. Die Menschheit, vornehmlich im Gottesvolk, wird in stufenmäßiger Erziehung zum vollen Verständnis geführt - allerdings nicht von einer Bewußtseinsentwicklung der Menschheit aus gedacht, sondern rein aus der Offenbarung geschlossen: Geschichte stellt den Vollzug des Gnadenhandelns selbst dar. Das foedus supernaturale, am Baum des Lebens sakramental vorgegeben, ist die innere Triebkraft, auf Grund deren die Grundlegung der Geschichte zum Prozeß der Geschichte wird. Dieser verläuft in 5 Etappen der von Coccejus in Übernahme calvinischer Begriffe so genannten abrogatio und antiquitatio. Hier wird der überraschende und eigenartige Versuch unternommen, die Heilsgeschichte nicht im Aufbau, sondern sozusagen im fünffachen Abbau, d. h. in einer stufenweisen Beseitigung des Werk-B.es zu verfolgen, der z. T. als innerhimmlischer, z. T. als irdischer, heilsgeschichtlicher Prozeß verläuft. Die 1. abrogatio wird im heilsgeschichtlichen Prozeß durch den adamitischen Sündenfall ausgelöst. - Die 2. abrogatio repräsentiert einen innertrinitarischen, noch nicht offenbar gewesenen Akt von Entschluß und Stiftung des Gnaden-B.es. - Die 3. abrogatio besteht in der Offenbarung des im Protevangelium angekündigten Gnaden-B.es, nach dem nur ein Übersehen (paresis) der Sünde bis zur Erscheinung Jesu Christi gewaltet hat. Nun ist Gesetz und Dekalog, Beschneidung und Passa als Verheißung auf Christus, den stellvertretenden Erfüller des Gesetzes, in Geltung: paresis = Hingehenlassen wird zur paresis = Vergebung der Sünde. Golgatha ist nicht in erster Linie als Wandlung im Herzen Gottes gesehen, sondern als Offenbarungs-, als Geschichts-, als Existenzvollzug dessen, was im Herzen Gottes schon von jeher Leben hatte. - In der 4. abrogatio geht es um den Tod des Leibes der bösen Welt und die reinigende Heiligung der Liebe bei den Wiedergeborenen und in der 5. abrogatio um die Auferweckung des Leibes zur Vollendung - alles als geschichtlicher Entwicklungsprozeß und als persönlicher Lebensvollzug gesehen. - Die Bedeutung dieser Föderaltheologie besteht darin, daß in ihrem Entwurf drei Theologumena gleichsam unter der Hand neu gestaltet worden sind: 1. In der Betonung der Aufeinanderfolge von Gesetz und Gnaden-B. sind AT und NT in ein dialektisches Verhältnis gerückt, worin der Gnaden-B. den Gesetzes-B. umschließt und der Gesetzes-B. für den Gnaden-B. geöffnet bleibt. Damit ist eine neue Wertung des AT gewonnen, die nicht nur in der Theologie, sondern auch in der Orientalistik ihre Früchte abwarf. 2. Die siehe Prädestination (: III) ist aus der seit siehe Beza erfolgten Systemerstarrung befreit und als geschichtlicher Heilsvollzug zurückgewonnen: der Erwählungsratschluß fällt mit dem Heilsratschluß zusammen, Christus ist der Erwählte und der Erwählende zugleich. Die dualistische Prädestinationslehre kann von hier aus einer biblisch-sachlichen Kritik unterzogen werden. 3. Die Erkenntnis des Heilsfaktums ist aus der statischen Sicht der Orthodoxie in die Schau der Geschichtslinie gelenkt - übrigens genauso wie in der parallelen Lehre des Coccejus vom Gottesreich. Das Heil wird im Ineinander von himmlischem und irdischem Prozeß erkannt, das reformatorische extra nos und in nobis wird erneut als Einheit gesehen. Das Heilsfaktum erscheint wieder als Heilsgeschichte, und in der Heilsgeschichte erscheint wieder die Menschheitsgeschichte. Darüber hinaus ist Coccejus durch seine Lehre vom Gottesreich der eminente und eigentlich erste evangelische Eschatologe seit der Reformationszeit geworden.
Neben dieser positiven Wertung fordert die Föderaltheologie zu einer doppelten negativen Kritik heraus: 1. Aus der Gottesgeschichte ist ein einheitliches Drama mit sinnvoll gegliederten Akten geworden. 2. Die Gottesgeschichte, in historische Darstellung eingefangen, ist zu einer theologischen Historie geworden, ohne daß man die Notwendigkeit der kerygmatischen Übersetzung verspürte. Damit wurde für die Folgezeit die Loslösung des Geschichtsprozesses aus dem theologischen Bezug involviert und dies um so mehr, als der zugleich anschwellende Cartesianismus auf solche Loslösung zustrebte.

Quellen: H. ZWINGLI, Commentarius de vera ac falsa religione, 1525 - H. BULLINGER, De testamento seu foedere Dei unico et aeterno, 1534 - PH. MELANCHTHON, Ordinandorum Examen, 1554 - C. OLEVIANUS, De substantia foederis gratuiti, 1584 - C. URSINUS, Summa theologiae, 1612 - J. COCCEJUS, Summa doctrinae de foedere et testamento Dei, 1648.

Lit.: A. SCHWEIZER, Die Glaubenslehre der ev.- ref. Kirche I, 1844, 103 ff. - M. GÖBEL, Gesch. des christl. Lebens in der rheinisch-westfälischen Kirche II 1852, 160 ff. - L. DIESTEL, Studien zur Föderaltheologie (JdTh 10, 1865, 209-276) - CH. SEPP, Het Godgeleerd Onderswijs in Nederland, gedurende de 16. en 17. Eeuw, II, 1874, 221 ff. - H. HEPPE, Gesch. des Pietismus u. der Mystik in der ref. Kirche namentlich der Niederlande, 1879, 205 ff. - A. RITSCHL, Gesch. des Pietismus in der ref. Kirche, 1880, 130 ff. - A. VAN'T HOOFT, De Theologie van Heinrich Bullinger in betrekking tot de Nederlandsche Reformatie, 1888, 43 ff. - RE IV, 186 ff. - E. V. KORFF, Die Anfänge der Föderaltheologie u. ihre erste Ausgestaltung in Zürich u. Holland, 1908 - W. GOETERS, Die Vorbereitung des Pietismus in der ref. Kirche der Niederlande bis zur Labadistischen Krisis 1670, 1911 - RGG2 I, 1346 ff. - G. SCHRENK, Gottesreich u. B. im älteren Protestantismus, vornehmlich bei J. Coccejus, 1933 - BARTH, KD IV/1, 1953, 57 ff.

P. Jacob

V. Alter und neuer Bund, dogmatisch

1. Begriffliches

Die Dogmatik ist in der Wahl ihrer Worte gegenüber dem biblischen Sprachgebrauch frei. So ist sie auch nicht verpflichtet, das biblische Wort »Bund« und einen der ihm entsprechenden Begriffe aufzunehmen, wie es die ref. Dogmatik bereits von Zwingli bis K. Barth und E. Brunner mit Vorliebe getan hat. Was gegen den dogmatischen Gebrauch des B.esbegriffs spricht, ist die Tatsache, daß die biblischen Worte berît und diathêkê gar nicht durch das Wort »B.« zu übersetzen sind (siehe Bund: II. III). Der B.esbegriff legt das Mißverständnis nahe, es handle sich im christlichen Gottesverhältnis um eine gegenseitige Abmachung gleicher Partner. Er ist ferner nicht geeignet, den sakral-rechtlichen Charakter der biblischen Begriffe auszudrücken. Außerdem spielt der B.esbegriff wenigstens im NT keine zentrale Rolle und kann nur durch eine wesentliche systematische Ausweitung dogmatisch brauchbar gemacht werden. Immerhin hat er in der ref. Tradition dazu gedient, die Wechselseitigkeit des in Christus von Gott gesetzten Gottesverhältnisses, die Einheit von göttlichem Zuspruch und Anspruch, von Gabe und Verpflichtung zu umschreiben. Durch den Begriff des B.es kann zum Ausdruck gebracht werden, daß Gesetz und Evangelium nicht bloß Lehrinhalte, sondern Totalbestimmungen des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch zu persönlicher gegenseitiger Gemeinschaft sind. Ebenso bietet er im Anschluß an den biblischen Gebrauch die Möglichkeit, der mit Israel im AT begründeten Ordnung des Gottesverhältnisses die in Christus bestehende als eschatologisch-neue gegenüberzustellen.

2. Biblische Begründung

Schon das NT ist sich dieses Unterschiedes, ja Gegensatzes klar bewußt. Heute, da das historisch- kritische Verständnis der Bibel uns jede allegorisierende Angleichung des AT an das NT verbietet, ist der B.esbegriff um so mehr geeignet, dogmatisch Gegensatz und Kontinuität zwischen der at. und nt. Gottesoffenbarung zu bestimmen. Es kann dadurch deutlich gemacht werden, daß es sich bei dem Verhältnis von AT und NT nicht um das zweier Religionen, auch nicht um das Verhältnis zwischen menschlicher Religion und Offenbarung, sondern um verschiedene Akte Gottes handelt, zu Menschen in Beziehung zu treten und das Verhältnis zwischen Gott und Mensch zu ordnen. Andererseits sind es nicht zwei nur historisch begrenzte göttliche Akte, von denen der zweite den ersten historisch ablöst, wie es die Föderaltheologie (siehe Coccejus, siehe Bund: IV) dachte. Vielmehr ist Jesus Christus selbst allein als der Auferstandene und im Heiligen Geist gegenwärtig Handelnde, in seinem Wirken die Aufhebung, aber auch die Erfüllung der at. Ordnung des Gottesverhältnisses. Dabei ist zu beachten, daß das NT exegetisch das AT nicht mit dem Alten B. gleichsetzt. Das AT unterscheidet nämlich selbst den Noah-B. mit der gesamten Kreatur und den Abrahams-B. als Verheißung des Gottesvolkes, die beide bedingungslose und einseitige göttliche Zusagen darstellen, von dem Sinai-B. durch Mose bzw. dem Sichem-B. durch Josua mit Israel. In diesen ist die Innehaltung der göttlichen Zusage: »Ich will euer Gott sein« an die Bedingung der Gesetzeserfüllung durch Israel gebunden und zugleich die Gerichtsdrohung gegenüber dem abtrünnigen Volk enthalten. Nicht daß Israel sich durch sein Tun erst die Liebe Gottes verdienen soll - das wäre jüdisches Mißverständnis des at. Gesetzes-B.es. Vielmehr gibt Gott in unbegründeter erwählender Liebe Israel seine Zusage, aber er macht den Gehorsam Israels zur Bedingung ihrer bleibenden Gültigkeit. Die ganze Geschichte Israels wird von da aus in der prophetischen Sicht zur Geschichte des Scheiterns des Gesetzes-B.es mit Israel: er zerbricht an dem Ungehorsam und der menschlichen Sündhaftigkeit des Volkes. Allerdings stellt dieser Gesetzes-B. nach Paulus nur einen Zwischen- B. zwischen der bedingungslosen B.esverheißung an Abraham und ihrer Erfüllung in Christus dar (Gal 3, 15 ff.). In den Augen des Paulus macht der Sinai-B. Israel zu Knechten und nicht zu aus Gnade lebenden Freien, und die mosaische B.esstiftung ist ihm ein Dienst der Verdammnis, nicht der Rechtfertigung. Nach dem Hebr bringt die at. Kultordnung keine Versöhnung, sondern nur die Erinnerung an die Unversöhntheit des Menschen, allerdings auch den schattenhaften Hinweis auf die kommende Versöhnung durch Christus. Das JohEv stellt das Gesetz durch Mose der Gnade in Christus entgegen.

3. Dogmatische Bestimmung

Angesichts dieses biblischen Zeugnisses über den Gegensatz zwischen mosaischem Gesetzes-B. und dem eschatologischen Gnaden- und Versöhnungs-B. in Christus ist es unmöglich, mit siehe Calvin den mosaischen Gesetzes-B. nur als andere Ökonomie des einen Gnaden-B.es zu verstehen und damit den Neuen B. in Christus zu einer relativ anderen Durchführung dieses einen Gnaden-B.es herabzusetzen. Substanz und Ökonomie des Gnaden-B.es lassen sich in Christus nicht trennen. Auch für Israel ist Jesus Christus und sein Werk allein Substanz und Ökonomie des Gnaden-B.es für Juden und Heiden. Vom biblischen Gegensatz zwischen Gesetzes-B. und Gnaden-B. in Christus, der allein auf vergebender Gnade gegründet ist, geht es noch weniger an, mit K. siehe Barth AT und NT als die einheitliche Durchführung eines vor Grundlegung der Welt aufgerichteten Gnaden-B.es zu verstehen, in dem das Gesetz die Form des Evangeliums ist. Alter und Neuer B. stehen sich als bedingter und unbedingter B. in unaufhebbarem Gegensatz gegenüber. Dieser Gegensatz ist nur dadurch aufgehoben, daß Christus den Fluch am Kreuz getragen hat, den der Gesetzes-B. über den sündigen Menschen brachte. Die Frage ist jetzt nur, welchen Sinn jener Zwische-B. des Gesetzes hat, da es doch seit dem ersten Kommen Christi keine andere Ordnung des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch gibt als die bedingungslose vergebende Gnade in Christus. Diese wird wohl allein im Glauben angeeignet. Aber nicht der Glaube, geschweige denn seine Werke bilden die geforderte Bedingung ihrer Gültigkeit, als vielmehr die in ihr enthaltene Gabe. Der Gesetzes-B. mit Israel ist die paradigmatische Aktualisierung der Verantwortlichkeit des Sünders vor Gott, ohne die auch der Gnaden-B. nicht das auf Vergebung wirklicher und von Gott angerechneter Schuld gegründete Gottesverhältnis wäre. Um der Sünde willen ist der Gesetzes-B. notwendig, um den Sünder unter Gottes Gericht zu stellen. Das im Gesetzes-B. offenbarte und aktualisierte Gottesverhältnis ist bis zum Jüngsten Gericht nach den Werken der bleibende Hintergrund des Gnaden-B.es in Christus. In ihm flieht der Glaube vor dem im Gesetzes-B. richtenden Gott zu Christus und weiß sich zum tätigen Dienst vor Gott aufgerufen. Denn außerhalb des an Christus gebundenen, im Dienst tätigen Glaubens ist der Mensch tatsächlich dem im Gesetzes-B. aufgerichteten Gottesverhältnis und seinem Fluch verfallen. Der Widerspruch zwischen Gesetzes-B. und Gnaden-B. ist für den in seiner irdisch-sündigen Existenz lebenden Menschen unaufhebbar. Seine Aufhebung im Kreuze Christi wird geglaubt, nicht begriffen. Es bleibt aber für den Glaubenden der Gegensatz zwischen der Verantwortung vor dem nach den Werken richtenden Gott und der Geborgenheit in den Armen des in Christus bedingungslos vergebenden Gottes. Erst die Ewigkeit wird diesen Gegensatz aufheben.

H. HEPPE, Die Dogmatik der ev.-ref. Kirche, (1861) 1935, 224 ff. - R. BULTMANN, Christus des Gesetzes Ende (BEvTh 1, 1940 3-27 = BULTMANN II, 32-58) - DERS., Weissagung u. Erfüllung (StTh 2, 1949, 21-44 = ZThK 47, 1950, 360-383 = BULTMANN II, 162-186) - BARTH, KD II/2; III/1; IV/1 - E. BRUNNER, Dogmatik II, 1950, 251 ff. - H. VOGEL, Gott in Christo, 1951, 429. 520 - G. BORNKAMM, Das Ende des Gesetzes (BEvTh 16), 1952 - O. WEBER, Grundlagen der Dogmatik, 1955, 323 ff.

W. Wiesner

aus: Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Bd. 1, S. 1512ff.
(c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)
Mit freundlicher genehmigung des Verlages veröffentlicht. Bitte beachte Sie die Internetseiten der 4. Auflage der RGG: http://www.mohr.de/rgg4.html

 

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